Manus Homepage über die Zeit

Die 5 DM-Lady

Vorab als Information für die jüngere Lesergeneration: „DM“ steht hier nicht für eine Drogeriemarktkette, sondern für „D-Mark“. Die Deutsche Mark war vor der Einführung des Euro die Währung in der Bundesrepublik.

Es war ein Tag im November 2001. Noch war die DM gesetzliches Zahlungsmittel. Mein Arbeitskollege zahlte sein Mittagessen in der Kantine mit einem 5 DM-Schein. Diese sah man nicht besonders oft, da wesentlich mehr 5 DM-Münzen im Umlauf waren. Zum ersten Mal fiel mir die Frau auf, die auf dem Schein abgebildet war – ihr nachdenklicher Blick – ihre hübsche Ausstrahlung...
Wer war diese Frau und welche Vergangenheit hatte sie?

5 DM Schein

Bettina von Arnim

Meine Nachforschungen ergaben folgendes:

5 DM Schein Die Frau auf dem 5 DM-Schein war Bettina von Arnim (1785-1859). Sie wurde am 04.04.1785 als Elisabeth Catharina Ludovica Magdalena Brentano in Frankfurt als eine von 13 Kindern geboren. Ihre Mutter starb, als sie 8 Jahre alt war. Ihr Vater heiratete wieder, danach wurde sie mit ihrer Schwester auf eine Klosterschule geschickt.

Als sie 3 Jahre später nach Hause zurückkehrte, lernte sie ihren sieben Jahre älteren Bruder Clemens bewußt kennen. Clemens Brentano zählt heutzutage zu den bedeutendsten Dichtern der europäischen Romantik. Als Bettina 15 Jahre alt war, schrieb sie mit Clemens viele Briefe, über die Joseph von Eichendorff so urteilte: Clemens spielt hier den „altklugen Hofmeister gegen seine jüngere Schwester; das steht ihm seltsam zu Gesicht und wird ihm offenbar herzlich sauer, weshalb er denn auch oft genug aus der Rolle fällt und von Bettina derb ausgelacht wird.“ Aus dieser Beschreibung kann man erkennen, dass Bettina sehr lebhaft war und sich schon in diesem Alter nichts gefallen ließ. Sie hatte aber auch eine ruhige Seite - sie las sehr gerne und viel, vor allen Dingen Goethe. Bald schwärmte sie so heftig für den 36 Jahre älteren Dichter, dass sie ihn ihre „himmlische Liebe“ nannte und ihn unbedingt kennenlernen wollte. Auf einer Reise mit ihrer Schwester Lulu und deren Mann bettelte sie so lange, bis sie Goethe in Weimar vorgestellt wurde. Zunächst war Goethe recht angetan von der kleinen Brentano. Bettina schrieb Goethe viele herzzerreißende Briefe, welche dieser nur kurz und distanziert beantwortete. Trotzdem besuchte sie ihn jahrelang. Im August 1810 sollte es sogar zu einer zärtlichen Stunde zwischen beiden gekommen sein: „sie verabredeten sich für die Nacht, aber eine wirkliche Vereinigung fand nicht statt, da Bettina draußen im Garten einschlief.“ Diese Harmonie zwischen ihnen endete jedoch abrupt, als Bettina Goethes Frau, auf die sie sehr eifersüchtig war, einmal eine „dicke Blutwurst“ nannte - daraufhin warf Goethe sie aus seinem Haus. Ihre späteren Briefe an ihn blieben unbeantwortet. Jedoch hinderte das Bettina nicht daran, Goethe bis zu seinem Tod zu verehren.

Bettinas „irdische Liebe“ war der 4 Jahre ältere Achim von Arnim, ein Freund ihres Bruders Clemens. Sie heirateten im März 1811 heimlich, weil Achim kein großes Fest wünschte. Dennoch war die Liebe zu Goethe für diese Frau tatsächlich etwas, was alles andere überstieg - selbst ihre Liebe zu Achim; dieser ließ jedoch in kluger Toleranz seiner Frau den Willen - vielleicht, weil er selbst von Goethe sehr beeindruckt war... Bettina schätzte das Feingefühl ihres Mannes; sie war überzeugt, dass aus ihm ein großer Schriftsteller werden würde. Zu Recht, auch er gehörte, wie Clemens Brentano, zu einem der größten Dichter der Romantik.

5 DM Schein1814 zogen Bettina und Achim auf das Gut Wiepersdorf, das einst Achims Großmutter gehörte. Er betätigte sich dort als Landwirt, pflanzte Bäume und Sträucher und versorgte das Vieh. Bettina klagte mitunter über Langeweile und berichtete mit grimmigem Humor, dass man täglich die Betten von den Wanzen befreien müsse, und dass der Koch die Läuse mit der Kelle totschlage. Als im Jahre 1816 die Ernte auf den Feldern erfror und in ganz Europa die größte Hungersnot der jüngsten Geschichte herrschte, legte Bettina kräftig Hand mit an und schreckte auch vor den schwersten Arbeiten nicht zurück. Ohne zu klagen, ließ sie in ihren Briefen an ihren Schwager Savigny dennoch durchblicken, wie bitter ihr das Landleben wurde: „Denk dir nur, Savigny, was sich all für Talente in der Einsamkeit bei einem Menschen entwickeln, ich habe einen Abtrittsdeckel selber gemacht!“. Nach 8 Jahren kommt es zu Differenzen über Bettinas und Achims unterschiedlichen Lebensvorstellungen. Daraufhin zog Bettina wieder mitsamt ihrer 4 Kinder ( 4 Jungen: Freimund, Siegmund, Friedmund und Kühnemund ) nach Berlin. Hier war sie in ihrem Element und konnte sich uns gesellschaftliche und später auch ins politische Leben einmischen. Trotz der Trennung bestand weiterhin eine tiefe Verbundenheit mit Achim: In Berlin kamen noch 3 Töchter der Beiden auf die Welt.

Kurz vor seinem 50. Geburtstag starb Achim 1831 plötzlich an einem Nervenschlag. Der Tod ihres Mannes traf Bettina schwer. Doch auch diesmal zeigte sie diese Kraft, die sie auch alle späteren Krisen überstehen ließ. Lange verdrängte Fähigkeiten und Bedürfnisse blühten auf und sie gründete ihren eigenen Salon, in dem sich der junge Heinrich Heine, Jacob Burckhardt und viele andere trafen. Im Sommer nach Achims Tod brach in Berlin die Cholera-Epidemie aus. Da Bettina ein durch und durch kämpferischer Mensch war, fühlte sie sich aufgerufen, für sozial und politisch Unterdrückte zu streiten und so ging sie unerschrocken in die Elendsviertel und rief umfassende Hilfsorganisationen ins Leben, anstatt sich in Sicherheit auf das Gut Wiepersdorf zurückzuziehen. Aber immer wieder traf sie das Schicksal: Nur ein Jahr nach Achim, starb 1832 Goethe. 1833 folgte ihre Freundin Rahel Varnhagen und schließlich, 1835, kaum 18 Jahre alt, verunglückte Kühnemund, ihr jüngster Sohn. Daraufhin begann sie mit dem Schreiben, es war wie eine Flucht für sie, eine Flucht in die Sprache: 1835 erschien ihr erstes Buch „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“, es war ein Briefroman. Das Buch wurde ein großer Erfolg und legte die Grundlage für den Erfolg Bettinas als Schriftstellerin. Der Briefwechsel mit ihrer Jugendfreundin Karoline von Günderode, die sich 1806 auf tragische Weise das Leben genommen hatte, erschien fünf Jahre später mit ähnlich großem Erfolg. Doch trotz ihres Erfolgs, blieb Bettina nicht unberührt von den sich verschärfenden politischen Spannungen in Preußen.

Ihr Briefwechsel mit dem neuen König zeigt Bettinas Ringen um politischen Einfluß. „Dies Buch gehört dem König!“ hieß ihr nächstes Buch - eine direkte Einmischung in die Angelegenheiten des Staates. In literarischer Form erteilte sie dem Monarchen Ratschläge für eine gerechtere Politik. Die Widmung im Titel sollte die Zensur hintergehen. Was sie auch schaffte, denn der König dankte freundlichst für die Widmung und empfahl dem Buch weiteste Verbreitung - er dürfte es wohl kaum gelesen haben.

Doch allmählich wurde die streitbare Frau von Arnim für den Monarchen immer unbequemer. Ihr Buch „Clemens Brentanos Frühlingkranz“ durfte wegen des demokratischen Freisinns einiger Passagen erst schon gar nicht mehr erscheinen. Als sich im Oktober 1844 die schlesischen Weber erhoben, wurden in Preußen Stimmen laut, die der Meinung waren, dass sie an dem Aufstand Mitverantwortung trug.

Erst spät begann sie, die Ruhe und Abgeschiedenheit, die ihr Mann Achim so geschätzt hatte, zu lieben, ohne jedoch die Hoffnung auf eine gerechtere Ordnung aufgeben zu können.

Am 20. Januar 1859 starb Bettina von Arnim nach langer Krankheit in Berlin. Sie wurde neben der Wiepersdorfer Kirche - an der Seite ihres Mannes und ihres Sohnes begraben.

Bettina von Arnim war voll von enormer menschlicher Kraft und Intelligenz, deswegen drängte sie ihr Leben lang nach Erfüllung ihrer selbst: „Immer mehr werden, als ich bin“, war einer ihrer Leitsprüche. Durch ihr ungewöhnliches Verhalten für eine Frau ihrer Zeit wurde sie zu einer tatkräftigen, selbstbewußten Weltverbesserin der aufrührerischen Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts.

Sie selbst sagte einmal: „Ich möchte König von Preußen sein. Wo so Großes durch mich könnte bewirkt werden. Wo ich könnte den bösen Zauber von der Welt heben und die Fundamente legen eines Paradieses, weit größer und gewaltiger und himmelreichender als alle Mächte.“

Karl August Varnhagen, ein Freund von Bettina von Arnim, schrieb 1850 folgendes über sie:

„Häufen Sie Widersprüche auf Widersprüche bergehoch, überschütten Sie alles mit Blumen, lassen Sie Funken und Blitze herausleuchten und nennen Sie's Bettina.“