Manus Homepage über die Zeit

Das Hutchinson-Gilford-Syndrom

Zeit vergeht nicht unter allen Umständen und für alle Menschen gleich schnell. Diese Konsequenz ergibt sich aus der Relativitätstheorie. Aber auch die empfundene Zeit und speziell unsere Lebenszeit ist sehr individueller Natur. Menschen erreichen unter natürlichen Bedingungen mitunter ein (insbesondere regional) sehr unterschiedliches Lebensalter. Das höchste erreichbare Alter liegt bei 122 Jahren. 1997 verstarb in Frankreich Frau Jeanne Calment, die 122 Jahre alt wurde und mit 100 noch Fahrrad fuhr. 1986 starb der Japaner Shigechiyo Izumi mit 120 Jahren und 273 Tagen. In Deutschland liegt die durchschnittliche Lebenserwartung des Mannes bei etwa 77 und die der Frau bei etwa 82 Jahren.

Ich möchte dir die Geschichte von Sarah erzählen. Zum allerersten Mal wurde ich in der ehemaligen TV-Talkshow Andreas Türck auf ihr Schicksal aufmerksam. Sarah leidet an einem seltenen genetischen Defekt namens Progerie, in Fachkreisen auch bekannt unter dem Namen „Hutchinson-Gilford-Syndrom“. Sie ist eines von nur 10 Kindern in Europa, die an dieser Krankheit leiden.

Weltweit sind etwa 30 Fälle von Progerie bekannt. Betroffene Kinder altern ca. zehnmal so schnell wie normale Kinder. Ihre Lebenserwartung beträgt weniger als 20 Jahre. Diese Kinder entwickeln die Symptome altersbedingter Krankheiten bereits im Alter von zehn oder zwölf Jahren (Arthrose, Krampfadern, usw.). Meistens sehen die Kinder während ihres ersten Lebensjahres vollkommen normal aus, aber danach entfalten sich die Symptome rasch. Zunächst: Haarausfall, Verschwinden von Wangenfett mit einer Verschärfung der Gesichtszüge und verringertes Wachstum. Subkutanes Fett verschwindet rasch vollständig und die Haut wird dünn und bräunlich, wobei die darunterliegenden Blutgefäße klar sichtbar werden. Die Zahnentwicklung ist ebenso abnormal, mit einem verzögerten Ausfall der Milchzähne und einem frühen Verlust der dauerhaften Zähne.

Sarah BrickSarah erblickte 1993 in Innsbruck das Licht der Welt. Bis zum Sommer 1994 wussten noch nicht einmal ihre eigenen Eltern von ihrer Krankheit. Zwei Jahre später haben sie dann erfahren, dass es noch andere Kinder mit Progerie gibt. Sie flogen mit Sarah nach Amerika, wo sie andere Kinder trafen die an der gleichen Krankheit litten. Im Kindergarten und auch in der Schule fand Sarah viele Freunde und war dort trotz ihres auffälligen Aussehens sehr beliebt.

Sarah Rodler starb im Juli 2008 im Alter von 14 Jahren an den Folgen ihrer Krankheit. Sie war ein lebensfrohes Kind. Ihr Leid ertrug sie mit bewundernswertem Optimismus.

Das Donaldson-Syndrom

Doch es gibt auch den gegenteiligen Fall, nämlich dass ein Mensch seit seiner Geburt kaum körperlich altert. Weltweit ist bisher nur ein einziger Fall hiervon bekannt. Die Rede ist von Tanya.

Tanya DonaldsonDas ist ein Bild von Tanya Donaldson. Täglich wurde sie von ihrer Mutter gewickelt und gefüttert wie ein kleines Baby. Äußerlich sah sie auch aus wie ein Baby, doch Tanya war bereits 18 Jahre alt als dieses Foto entstand und somit volljährig. Sie litt am Donaldson-Syndrom, das nach ihr benannt wurde. Hauptsächlich bereitete ihr die Tatsache Probleme, dass ihre inneren Organe normal heranwuchsen, während der Rest ihres Körpers dem eines 2-jährigen Babys glich. Tanyas Organe wurden dadurch in ihrem kleinen Körper sehr eingeengt. Ihr geistiger Zustand entsprach im Alter von 18 Jahren dem einer 2-jährigen.

2009 starb Tanya im Alter von 24 Jahren. Liebevoll wurde sie „das Peter-Pan-Mädchen“ genannt – das Mädchen, das nie wirklich erwachsen werden konnte.

So selbstverständlich wie es uns erscheint, dass wir mit jedem Tag ein kleines Stückchen älter werden und so sehr wir versuchen, dem zu entfliehen, so glücklich können wir doch darüber sein, dass wir dieses Schicksal mit Milliarden von Menschen teilen dürfen. Klar – alt werden möchte schließlich jeder, doch sein will es niemand! Doch im Gegensatz zu manchen Menschen auf dieser Welt haben wir möglicherweise das Privileg, es zu werden.